Eine Bandprobe am Sonntag,
oder doch ein geheimes spontanes Konzert für Fans des Gospel-Chapter Memmingen. Das waren die beiden Möglichkeiten die der ohrenbetäubenden Akustik vermeintlich einen Sinn ergaben, als ich am Sonntagmittag im Industriegebiet der Schlachthofstraße die Stadt in Richtung Norden verließ.
Ich war gerade an einer Moschee vorbei gelaufen, doch die Musik schien von einem Gebäude dahinter zu kommen. Dann sah ich den Eingang. Irritierend war nur das große Werbebanner am Eingang für „Derya Couture Braut- und Abendmode“. Also vielleicht doch eine Modenschau mit alternativer Livemusik. Ich musste es jedenfalls herausfinden. Während ich in ein menschenleeres Bürotreppenhaus ging, wurde die Musik immer lauter. Im ersten Stock, sah ich den verschlossenen Eingang vom Brautmodeladen und ging weiter um zwei Ecken. Am Ende vom Flur lüftete sich dann das Geheimnis. Ich hatte den Gottesdienst der lokalen Pfingstbewegungskirche gehört. Von den zwanzig Anwesenden, sorgte die eine Hälfte mit Trommeln, Orgel und Mikrofonen für die Musik, Gesang und den Rhythmus, während die andere Hälfte sich, ohne jegliche Ausnahme, in einen teilweise fast ekstaseartigen Zustand tanzte. Ein großartiger Anblick. Ich wurde sofort von einer der Sängerinnen herein gebeten und in die erste Reihe platziert. Irgendwie war ich nun gefangen zwischen Faszination und peinlicher Verkrampftheit, wohl auch wegen meiner eher zaghaften Versuche mich auch nur annähernd rhythmisch an die Gemeindemitglieder anzupassen. Wer die Bilder von Theresa May bei ihrem diesjährigen Besuch im Township in Kapstadt inklusive ihrer Tanzeinlage noch vor Augen hat, weiß was ich meine.
Nach einer gefühlten Ewigkeit hörte das Lied plötzlich auf. Nun wurde ich dem Pastor der Gemeinde, er hieß Herr Sunday, vorgestellt. Ich durfte vor die Gemeinde treten und mein Projekt erklären. Alle waren einverstanden, dass ich beim nächsten Lied ein Foto machen darf. Aber erst einmal wurden ein paar Bibelstellen vorgelesen. 30 Minuten später, gab es dann das Zeichen für mich und meine Kamera.
Später erfuhr ich noch von Pastor Sunday, dass es heute überraschend leer war, weil es am Abend zuvor eine große Feier unter den Gemeindemitgliedern gab, und es nicht jeder geschafft hatte heute früh zum Gottesdienst zu kommen, der sich auch gut und gerne mal über vier Stunden zieht. Die Mehrzahl der Gemeindemitglieder stammt aus Nigeria, Liberia, Ghana und Kenia. Als ich gerade eingepackt habe, kommt eine ältere Dame auf mich zu und erzählt mir, dass die Raummiete € 1000,- im Monat beträgt, sie sich aber die hohen Kosten alle gemeinsam teilen. Dann schenkt sie mir eine kleine Bibel und wünscht mir Gottes Segen. Altenstadt, 25km
Wort des Tages: Mietwucher = Zwangslage eines Mieters, die vom Vermieter zur Erzielung einer zu hohen Miete ausgenutzt wird.
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