Adee Hohenlohe, Grüß Gott Mittelfranken,
oder anders gesagt habe ich nach fünf Wandertagen im nordöstlichen Baden-Württemberg nun wieder den Freistaat Bayern betreten. Diese Ländergrenzen sind nicht nur landespolitisch relevant. In den jeweiligen Dörfern wird von den Bewohnern genau darauf geachtet, wo man sich gerade befindet und wer vor einem steht. Da ist ein großer Unterschied zwischen der Ostalb, der Kuppenalb, der Flächenalb und der Riesenalb, unerwähnt soll auch nicht die Fränkische Alb bleiben.
Ein guter Beispielort für diese regionale Identität ist mir durch Zufall auf meinem heutigen Wege begegnet, aber dazu später. Ich hatte mal wieder unterschätzt wie schlecht man sich als Fußgänger auf manchen Routen mit Lebensmitteln versorgen kann. Als ich durstend nach 13km, auf halber Strecke in Kreßberg ankam und den Wegweiser „Bäcker“ sah, dachte ich noch ich hätte es geschafft. Es war ein Montag und schon nach 15.00 Uhr, also muß der Bäcker geöffnet haben. Innerlich freute ich mich schon auf die große Flasche Wasser und als Bonus noch einen Becher Kaffee und ein großes Stück Kuchen. Aber keine Bäckerei?! Eine vor dem Rathaus einparkende Frau, fragte ich nach dem Bäcker. Diese schaute mich irritiert an und sagte: „Aber der ist doch schon letztes Jahr abgebrannt! Sehen Sie, dahinten steht noch die verkohlte Giebelwand. Hier im Ort gibt es sonst nichts.“ Und sie verschwand im Rathaus. Na gut also folgte Plan B, ich ging ebenfalls in das Rathaus und sah sofort eine öffentliche Toilette, wo ich mir wenigstens meine Wasserflasche mit Leitungswasser auffüllen konnte. So versorgt wagte ich den nächsten Teil der Route ca. 7km durch den Wald. Da waren meine Wasserreserven wieder verbraucht und ich wußte für die letzten 9 km brauche ich noch Reserven. Da war wieder eine Ortschaft, wesentlich kleiner als Kreßberg. Zwei Frauen unterhielten sich vor einem Hauseingang. Ich ging auf sie zu und fragte nach einem Bäcker/Lebensmittelgeschäft im Ort. Wieder Verneinung, „Da müsste ich bis Feuchtwangen, das wäre allerdings in Bayern“ sagte die eine Dame. Aber wenn ich nur etwas trinken wolle, das ginge auch hier. Sie lädt mich in ihr Haus ein, erst jetzt bemerke ich den Schriftzug „Gasthaus Lamm“ und laufe ihr nach. Im Hof sehe ich eine Gruppe älterer Männer um einen Biertisch sitzen. Die Wirtin klappt einen Stuhl für mich auf und stellt ihn an die Tafel. Ich setzte mich und alle Augen richteten sich auf mich, mit der Frage: „Wer ist das und was macht der hier“. Ich kannte diese Frage nun schon zu genüge und kürzte direkt ab. „Ich bin wandernder Fotograf und durchquere Deutschland“ als auch schon Irmtraud Schnabl, die liebenswerte Wirtin mir mein erstes eiskaltes alkoholfreies Weizenbier auf den Tisch stellte. Mehr konnte ich erst einmal nicht sagen, weil ich das Bier langsam aber in einem Zug austrank. Der Respekt der Gruppe war mir sofort gegeben.
Die Männer erklärten, dass sie sich hier schon seit Ewigkeiten täglich zum Stammtisch treffen. Immer zwischen 16-19:00 Uhr ist das der Ort des Geschehens. Der Großteil war schon im Ruhestand und es kommen auch nicht wirklich alle an jedem Tag. Aber irgendwie treffen sich immer ein paar und es wird erzählt von den kleinen und großen Dingen die die Welt bewegen. Ursprung für die Gruppe war vor Jahren mal das gemeinsame Fußballspielen, aber jetzt sei man nur noch passiv und eher Bundesligafan. Welche Mannschaft denn hier am Tisch dominiert, frage ich. Jetzt merkte man die beiden Lager. Die lokalen Hohenloher, denn wir waren noch in Württemberg, waren natürlich VFB-Stuttgart Fans, dagegen die Franken, und davon gab es drei Fraktionen, der Unterfranke, der Mittelfranke und der „Edelfranke“, durchweg Clubberer, also 1.FC Nürnberg Fans. Jetzt wurde natürlich auch das jeweils Gute der eigenen Region auf den Tisch gebracht, eine herrliche Debatte über regionale Verwurzelung und Lokalpatriotismus entbrannte, während ein Bier nach dem anderen durch die emsig liefernde Frau Schnabl an den Tisch gebracht wurde. Das Schöne war, dass nie dogmatisch argumentiert wurde und ein großer gegenseitiger Respekt am Tisch herrschte. Die vereinten Nationen von Leukershausen, so schön kann wandern sein. Ich wäre gerne noch ein wenig länger geblieben… Steinbach an der Holzecke, 29km
Worte des Tages: Lieber Fünfter, als Fürther = Spruch eines 1.FC-Nürnberg Fans
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